Ungeplante Krönung in Alaska

Ungeplante Krönung in Alaska

23. August 2024 0 Von Silvernomads

Etwa so, aber deutlich luxuriöser, muss es auf einer Kreuzfahrt zu- und hergehen: Aufstehen, frühstücken, Rundgang auf dem Schiff, dabei immer mal wieder mit wichtigtuerischer Miene durch’s Fernglas gucken, an der Sonne sitzen, lesen, Nachmittags-Nickerchen machen, herumhängen, Blog schreiben, Fotos sortieren, Spielen, Abendessen und Absackerl-Besuch in der Bar, wo uns die Bardame Cindy mittlerweile schon beim Eintreten freudig begrüsst. Dass wir praktisch kein Internet an Bord haben, tut der Erholung gut, ist jedoch der Reiseplanung weniger förderlich. Was soll’s: Gemütlich tuckern wir während vier Tagen durch die Inside Passage von Haines nach Bellingham und lassen die vergangenen Wochen in Alaska Revue passieren. Columbus sitzt nicht minder gemütlich im Schiffsbauch und erholt sich seinerseits von den nicht immer einwandfreien Strassen der vergangenen Wochen.

Mal ganz ehrlich: Unser Grenzübertritt von Kanada nach Alaska über den „Top of the World“-Highway war nicht gerade unsere herausragendste Leistung auf dieser Reise: Tapfer kurvt Columbus bei Nebel und Nieselregen durch die Berge, bis dann so quasi aus dem Nichts (kein Wunder, bei dieser schlechten Sicht) eine grosse rote Ampel und ein nicht minder grosses Stop-Schild vor uns auftaucht. Nicht weit weg davon machen wir ein kleines Zollhäuschen aus – wir befinden uns vor Nordamerikas nördlichstem Grenzposten. Was für eine unwirtliche Gegend auf diesem Hoger oben! Weit und breit ist kein Mensch zu sehen, geschweige denn andere Autos. Die Ampel bleibt trotzdem beharrlich auf Rot und wir warten ebenso beharrlich darauf, dass sich farbenmässig etwas tut. Dann eeeendlich wird es grün und wir sehen zu, dass sich Columbus raschmöglichst vorwärtsbewegt bevor die Ampel wieder auf Rot hüpft. Der Zollbeamte kommt raus, begutachtet unser Nummernschild, ruft einen Kollegen und fragt dann nach unseren Pässen. Die ersten üblichen Fragen, ob wir Waffen oder Brennholz mit uns führen, beantworten wir in gewohnt kompetenter Manier, scheitern dann aber kläglich bei der Frage, wohin wir denn gehen wollen: „Nach Alaska“ lautete unsere einstimmige Antwort. Er blickt uns verblüfft an, schluckt leer und überlegt eine lange Sekunde, wie er nun mit dieser Antwort umgehen soll. Dann meint er schliesslich mit einem kleinen Lächeln: „Das dachte ich mir fast. Woanders können sie hier auch nicht hin. Geht es noch etwas genauer?“ Es ging.

Alaska: Neben dem vorerst eher unfreundlichen Wetter sehen wir uns alsobald mit etwas ganz anderem konfrontiert: Eine von Fredi’s Zahnfüllungen hat sich des Morgens beim Frühstück entschieden, sich auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden. Erst noch eine grosse. Jetzt war Ägschen angesagt. So marschierten wir ein paar Tage später in Fairbanks (nördlichere Städte dieser Grösse gibt es hierzulande keine) unangemeldet in eine Zahnarztpraxis. Ja, meinte die freundliche Dame am Empfang, Patienten könnten auch ohne Anmeldung vorbeikommen, das koste einfach 150 USD. Ein regulärer Termin wäre erst in ein paar Wochen möglich. Bei aller, sich noch zu entwickelnder Zuneigung zu Alaska, aber so viel Zeit hatten wir nun doch nicht. Also zahlten wir. Die erste halbe Stunde investierten wir in das elektronische Ausfüllen zahlreicher Anmeldeformulare und nach einer weiteren halben Stunde rief die Dame nach „Alfredo!“ Nach nochmaligen 30 Minuten rief die gleiche Stimme nach „Eva!“ – und so traf ich den besten aller Ehemänner: Im hinteren Teil der Praxis völlig entspannt auf einer der zahlreichen Liegen herumlungernd. Es galt eine Entscheidung zu treffen: Weil das fehlende Zahnstück so gross war, riet man uns dringend nicht zu einer neuen Füllung sondern geradewegs zu einer Krone. Übung abblasen, anderen Zahnarzt suchen oder hier machen lassen? Der Kostenvoranschlag liess uns nicht wirklich das Blut in den Adern gefrieren, in der Schweiz wäre das in etwa gleich teuer. Nach Fredi’s „OK“ und dem erfolglosen Versuch, einem Bancomaten in der Gegend das nötige Geld abzuluchsen (Barzahlung wäre günstiger gewesen), ging es dann blitzschnell: Spritzen, Bohren, mittels 3D-Scanner Bildaufnahme des Zahnes, Fertigung der Krone inkl. Härtung im Ofen und schon stand der Zahnarzt mit dem guten Stück wieder vor Fredi. Ein paar kleinere Anpassungen hier und dort, dann wurde die Krone geleimt und aufgesetzt.

So verliessen wir nach nur gut drei Stunden frisch gekrönt den Ort des Geschehens um uns auf die weitere Entdeckung von Alaska mit seiner reichen Tierwelt und schier unglaublichen Naturschönheiten zu machen. Ein Staat, von dem wir heute sagen, dass wir uns durchaus vorstellen können, mit mehr Zeit nochmals hierhin zurück zu kehren. Auch ohne Krönung 😊

Titelbild: Auf dem Weg zum Columbus Gletscher (Valdez)

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