Von Stars und Sternchen

Von Stars und Sternchen

14. November 2024 0 Von Silvernomads

Um es vorweg zu nehmen: Wir hätten uns einen anderen Ausgang der Wahlen hier in den USA gewünscht. Es fällt uns schwer zu verstehen, warum mehr als 75 Millionen Menschen ihre Stimme einer Person gegeben haben, die so viele negative Adjektive auf sich vereint. Das Abstimmungsresultat ist unserem eh schon gespaltenen Verhältnis zu diesem Land der (un)beschränkten Möglichkeiten nicht eben förderlich. Und es hat nochmals eine Reihe neuer Fragen aufgeworfen, für die wir adäquate Antworten zu finden suchten. Welche Gründe gibt es, um dieses Ergebnis auch nur ansatzweise erklären zu können? War es die immens aufwändige Plakat-Kampagne im ganzen Land? Es verging kein Tag, ohne dass uns nicht von irgendwo am Strassenrand „Make America great again“ (als bescheidenste Version) ins Auge sprang. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Immer wieder landen wir beim Bildungsniveau als einer der treibenden Kräfte für dieses Wahlresultat. Bei einem tiefen Bildungsniveau haben die populistischen Parolen ein leichtes Spiel. Beispielsweise die einfachen Antworten auf komplexe Fragestellungen oder die derbe, verletzende und jeglicher Wertschätzung entbehrende Ausdruckweise, mit welcher andere Menschen erniedrigt werden. Das wird verstanden und kommt an. Gleichzeitig sind mit dieser Rhetorik Millionen von Gedächtnisse darauf getrimmt worden, die Geschehnisse vom 6. Januar 2021 einfach auszublenden. Verrückt. Das alles ist zweifelsohne zu kurz gegriffen und bei weitem nicht der einzige Grund, vermag aber einen kleinen Einblick in unsere Diskussionen der vergangenen Tage zu geben. Nichts desto trotz: Gelebte Demokratie kann nicht anders, als diesen Entscheid zu akzeptieren auch wenn er uns nicht passt und vor allem: Die Hoffnung auf andere Zeiten nicht zu verlieren. Und darum wenden wir uns jetzt amüsanteren Dingen zu und werfen einen Blick auf unbeschwerte Begebenheiten.

Zum Beispiel auf jenen Nachmittag, als es zu einem völlig unerwarteten und nicht angekündigten Manöver des Columbus-Piloten kam: Ich war gerade mit meinem „Smartphone“ beschäftigt (welches sich in letzter Zeit des Öfteren alles andere als smart aufführt), sodass ich weder das Werbeplakat noch das Manöver als solches zu Kenntnis nahm. Erst als Columbus abbremste, blickte ich auf und stellte die einer kompetenten Co-Pilotin völlig unwürdige Frage: „Wo genau sind wir?“ Da dreht Fredi den Zündschlüssel bereits nach links, blickt mich strahlend an und zeigt auf ein kleines Haus vor uns: „Das ist das Schulhaus von Tina Turner!“ Sagt’s und hüpft bereits aus unserem Fahrzeug um dem Gebäude, welches heute ein kleines Tina-Museum beinhaltet, einen ausgiebigen Besuch abzustatten. Ich begleite ihn gerne dabei.

Tatsächlich standen die vergangenen Tage im Zeichen der Musik: An einer Führung durch das Musikstudio „Sun“ in Memphis kamen wir erstmals in direkten Kontakt mit Grössen wie Elvis Presley und Johnny Cash – beide haben dort ihre ersten Singles aufgenommen. Es war ein unterhaltsamer Blick zurück in die „guten alten Tage“, welche unsere Enttäuschung über die Beale-Street wieder wettmachte. In Graceland dann zeigten wir uns investitionsfreudig und bereit, den unverschämt hohen Preis für die Besichtigung des Anwesens des „King of Rock n’Roll“ zu bezahlen. So kamen wir nun auch seinem Haus, seiner Geschichte, seinen Fahr-und Flugzeugen, seinen unzähligen Kleidungsstücken, seinen Gold-und Platin-Auszeichnungen und sogar seiner Grabstätte sehr viel näher als gedacht. Ein wahrhaft bewegtes Leben, das auch uns nicht unberührt liess. Sich auf dem Gelände von Graceland zu tummeln bedeutet aber auch, in unzählige, nicht gerade kleine Souvenirshops hinein und wieder hinaus geschleust zu werden. Elvis lebt weiter, auch 47 Jahre nach seinem Tod.

Mit der Ankunft in Nashville geht die Post dann so richtig ab: Hier ist mehr als „nur“ Country angesagt und wir amüsieren uns während 3 Tagen prächtig: Einerseits im Opry House, wo wir unter anderem auch der Verleihung des Josie Music-Awards 2024 beiwohnen und ungewollt beste Sitzplätze hatten: Wir sassen direkt neben einem Sternchen (oder einem uns unbekannten Star), welches nicht nur nominiert sondern auch ausgezeichnet wurde. Tags darauf kommen wir gleicherorts in den Genuss von Charly McCoy – der 83-jährige hat es mit seiner Mundharmonika immer noch voll drauf. Andererseits am Broadway in Nashville Downtown, wo aus praktisch jeder Bar Live-Musik erklingt und wir bereits am Vormittag bestens unterhalten werden. Mit „I walk the line“ von Johnny Cash auf den Lippen machen wir uns erst bei Einbruch der Dunkelheit wieder auf den Rückweg zu unserem Campingplatz. So quasi als Schlusspunkt einer unvergesslichen Zeit in Memphis, Graceland und Nashville erwartet uns dort am Pool ein einsamer Country-Sänger mit wenig bis gar keinen Zuhörer*innen. Bis er seinen Weg ins Opry Haus oder in eine der grösseren Bars in Nashville schafft, wird es wohl noch ein bisschen dauern. Zweifelsohne momentan noch ein Sternchen – aber in ein paar Jahren vielleicht bereits ein Star? Wir wünschen es ihm. Und dankbar für seinen Auftritt sind wir alleweil: Denn ein paar Runden im Pool zu schwimmen und dazu Live-Country-Musik zu hören, war eine ganz neue, nicht zu missende Erfahrung. 😊

PS. Das gelbe Lämpchen erweist uns übrigens mittlerweile regelmässig die Ehre und zeigt sich von seiner sehr anhänglichen Seite. Nun sind wir aber mit einem eigenen kleinen Diagnose-Gerät ausgerüstet, so dass wir den Fehler zuweisen und vor allem löschen können. Bis jetzt funktioniert diese Strategie. Wir drücken uns die Daumen.

.

Titelbild: Garden of the Gods, Colorado Springs

Unsere Route