In ungebremster Partylaune

In ungebremster Partylaune

9. Mai 2024 0 Von Silvernomads

Zuerst klingelt es ins Nirwana. Dann ist ständig besetzt und ich verliere langsam die Geduld. Eine Online-Buchung dieses Camping-Platzes ist nicht möglich. Das muss am Preis liegen, gehört er doch mit seinen knapp USD 50.—zu den billigsten im Ort.

Aber dann, nach weiteren 10 Minuten, ist das Glück auf unserer Seite. Die Verbindung ist zwar grottenschlecht, aber was soll’s. Ich trage mein Anliegen vor: 1 Platz ohne Strom, ohne Wasser, 1 Nacht, weder Kinder noch Hunde. Und erwarte eigentlich ein „sorry, alles ausgebucht oder ein „danke, alles ok, wie ist ihr Name?“ Stattdessen fragt die Stimme am anderen Ende: „Waaas? Sie wollen tatsächlich hierhin kommen?“ Und ich frage zurück, warum in aller Welt wir denn nicht an einer der schönsten Strände in den USA kommen sollten (steht so im Reisehandbuch). Als Antwort ergiesst sich ein Wortschwall über mich, dessen Inhalt ich beim besten Willen nicht auf die Reihe kriege. Nach zweimaligem Nachfragen mit der (ungehörten) Bitte, etwas langsamer zu sprechen, ändere ich die Strategie, tue so, als hätte ich endlich begriffen worum es geht und verkünde in aller Selbstverständlichkeit: „Alles kein Problem, wir kommen trotzdem.“

Was „trotzdem“ heisst, erleben wir fünf Stunden später: In Panama City Beach findet die Thunder Beach Bike Week statt. Das heisst: Hunderte (wenn nicht tausende) von Harley Davidson Fahrern (vorwiegend männlich, oft mit Glatze oder schütterem, weissem Haar), donnern mit sichtlichem Vergnügen der „Beach Road“ entlang. Das Motto ist klar: Laut muss es sein. Also z.B. immer wieder mit dem Gashebel spielen oder den Radio am Harley auf maximale Lautstärke drehen – noch besser beides miteinander. Allesamt machen sie einen auf „ich bin ja so was von cool“ und gleichzeitig verströmen sie unbändige Freude, feiern sich, ihre Töffs und das Leben überhaupt. Dass im Bundesstaat Florida für Motorradfahrer immer noch keine Helmpflicht gilt, weiss die anwesende Harley-Community sehr zu schätzen: Wenige tragen einen Helm, viele ein Hüdeli auf dem Kopf und einige noch einen Stumpen im Mundwinkel. Und Fredi erinnert sich an die Zeiten, als auch er noch ohne Helm mit seinem grünen Kawasaki durchs Tessin brausen durfte.

Mit dem Harley-Sound in den Ohren ziehen wir tags darauf weiter Richtung New Orleans. Weil bereits im Januar kein freier Campingplatz mehr in der Nähe des French Quarters zu finden war, haben wir uns für drei Nächte in einem Hotel einquartiert. Columbus darf direkt vor dem Hoteleingang stehen bleiben, weil er für die Parkhalle zu gross ist. Er trägt es mit Fassung und wir auch.

New Orleans lässt uns nicht kalt: Die berühmt-berüchtigte Bourbon-Street grenzt niemanden aus. Hier hat es Platz für alle und alles: Für Grünflächen-Fans, Strassenmusikanten- und andere Künstler, Kartenleserinnen, Grossmäuler, Schreihälse, Besserwisser, Möchte-gern-berühmt-sein-Models, Harley-Fahrer und sog. „normale“ Menschen. Der Alkohol fliesst in Strömen, die verschiedenen Musikstile vermischen sich untereinander, und die Stimmung könnte ausgelassener nicht sein. Es wird nonstop gefeiert, auch wenn wohl längst nicht mehr alle wissen, was genau es gerade zu feiern gibt. Die Preise für nicht-alkoholische Getränke sind hoffnungslos überteuert, einen Cola-Plasticbecher gibt es kaum unter 8 Dollar. Da kommt mir das Gespräch mit einem glühenden Trump-Verehrer auf dem Campingplatz in Panama City Beach in den Sinn: Biden sei schuld an den hohen Benzinpreisen (ca. 70 Rappen/Liter!) und darum müsse jetzt unbedingt wieder Trump ans Ruder.

Wie auch immer: Wir lassen uns auf diese surreale Welt ein, amüsieren uns als Zuschauer und Zaungäste bestens – dankbar und froh, schlussendlich doch noch Beizen gefunden zu haben, in denen noch wirklich guter alter Jazz gespielt wird.

Titelbild: Bourbon Street im French Quarter (New Orleans)

Unsere bisherige Route: