Acht Sekunden
Die Menge brüllt und wir brüllen mit, obwohl wir keine Ahnung haben warum. Aber gegen Ende der Veranstaltung haben auch wir halbwegs den Durchblick und brüllen -so scheint uns jedenfalls – an den richtigen Stellen mit. Es ist unglaublich laut, wenn nicht gebrüllt wird, läuft ohrenbetäubende Musik, Werbeblöcke werden geschaltet oder es blitzt und donnert in der grossen Halle. Gloub dr Gugger sind diese Viecher so aufgedreht, werden wir später sagen.
Doch der Reihe nach: Nach New Orleans hat unser Weg uns in den Staat Texas geführt, wo alles viel grösser ist als sonst irgendwo in den Staaten und sowieso auf der Welt. Hagelkörner inklusive. Letztere bewogen uns, einen Tag länger in Galveston zu bleiben, um ihnen in Dallas auszuweichen. Das 6th floor Museum in Dallas, welches ausschliesslich das tragische Ende von John F. Kennedy zum Thema hat (und von wo anscheinend auch 2 der 3 tödlichen Schüsse fielen), war einen Besuch wert. Diese so speziellen Räumlichkeiten kamen uns ein bisschen vor wie eine Pilgerstätte, die auch uns in ihren Bann zogen. Immerhin liegt das Geschehnis mittlerweile mehr als 60 Jahre zurück.
Dann kam unser grosser Tag in Fort Worth, einer aus geschichtlicher Perspektive durchaus bedeutsamen Stadt, war sie doch eines der grössten Viehandelszentren in den USA. In Erinnerung an die guten alten Tage und um die Touristen zu erfreuen, werden noch heute zweimal täglich die typisch texanischen Longhorn-Rinder durch diesen Teil der Stadt getrieben. Uns fällt bald einmal auf, dass wir zu den wenigen Besuchenden gehören, die nicht ordnungsgemäss gekleidet sind: Uns fehlen nicht nur die Cowboy-Stiefel, sondern auch der Gurt mit seiner grossen Schnalle und zu allem Übel auch noch der breitkremplige Texas-Hut. Wenn das nur gut geht.
Es geht gut – sehr gut sogar: Schüst an diesem Tag findet genau hier die Endausscheidung des Internationalen Bullen-Reitens statt und trotz unserem äusserst mangelhaften Outfit gelingt es uns, noch zwei Tickets zu ergattern. Bis das Spektakel anfängt, haben wir nun fast zwei Stunden Zeit. Wir schlendern durch die Strassen und Seitengassen, unauffällig bemüht, uns möglichst cool zu bewegen, bis wir uns vor den Toren des Museums zu Ehren von John Wayne wiederfinden. Mit einem unschuldigen Lächeln frage ich die Dame beim Eingang, ob es für uns zwei pensionierte Schweizer irgendwelche Rabatte auf den (happigen) Eintrittspreisen gebe? Sie grinst, klimpert mit ihren unglaublich langen künstlichen Wimpern und fragt: Sind Sie Mutter? Ich grinse zurück, klimpere mit meinen unkünstlichen Wimpern zurück so gut es geht, überlege einen kurzen Moment und flüstere ihr zu, dass ich im Moment all das bin was sie gerne hätte das ich bin. Sie kriegt sich kaum mehr ein vor Lachen, schlussendlich kichern wir beide wie unreife Teenager, Fredi rollt dezent die Augen und ich darf gratis ins Museum – denn schliesslich ist ja Muttertag. Und so übel war der Besuch nicht: Jetzt wissen wir wenigstens, dass er als Mister America schlechthin bezeichnet wird, sein richtiger Name Duke Morrison lautet und er in mehr als 160 Filmen mitgewirkt hat – überwiegend in der Hauptrolle.
Zurück zum Anfang und unserer kurzfristig anberaumten Präsenz bei der Endausscheidung des Bullen-Reitens: Rund 40, vorwiegend junge Männer sind angetreten und alle hatten sie das gleiche Ziel: Acht Sekunden auf dem Rücken des ihnen zugeteilten Bullen auszuharren – letzterer liess in dieser Zeit nichts unversucht, die unerwünschte Last auf seinem Rücken vor Ablauf dieser Zeit möglichst unsanft auf den Boden zu befördern. Einigen gelang dies bereits nach 2 Sekunden, andere mussten tatsächlich 8 Sekunden ausharren. Gewonnen hat schlussendlich ein 18-jähriger Bursche. Nach drei Stunden traten wir – um ein Erlebnis reicher – den Rückweg zu Columbus an, froh darüber, dass der kein Bulle ist. 😊
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Titelbild: John Wayne Museum, Fort Worth
Ein tolles sicherlich unvergessliches Erlebnis, wie immer mit viel Witz und Spannung von Eva geschrieben. Ihr müsstet ein Buch über eure Reise(n) schreiben. Ich würde es sofort kaufen.
Weiterhin eine erlebnisreiche Fahrt mit eurem Columbus